Mit Astra durch die Krise

Marius Friemelt und Dominik Wegener vom MSC Linsburg wollen mit ihrem Opel bei Rundstreckenrennen starten AstraZeneca, der umstrittene Corona-Impfstoff, wurde umbenannt zu Vaxzevria – das soll das Image des britischen Pharmaunternehmens aufpolieren. Ein anderer Astra braucht jedoch keine Namenspolitur: der Opel Astra! Schon seit drei Jahrzehnten ist er ein Begriff, bei dem der Puls von Opel-Fans ins Rasen gerät.

Der Kleinwagen aus Rüsselsheim öffnet auch bei Marius Friemelt und Dominik Wegener vom MSC Linsburg nicht nur regelmäßig die Herzen, sondern auch das Werkstatt-Tor in Stöckse. Dort ist das neuste Schmuckstück der beiden Hobby-Rennfahrer seit einigen Monaten beheimatet. Ihr Opel Astra F GSi ist schwarz lackiert, hat 150 PS unter der Haube und trägt die Nummer 13. Mit ihm wollen die MSC-Racer fortan runter von der Stockcar-Piste und rauf auf den Rennasphalt.

Eine Gemeinsamkeit haben der Astra-Impfstoff und der Astra-Rennflitzer trotzdem: Ohne Corona gäbe es sie in dieser Form möglicherweise gar nicht. Denn im vergangenen Sommer, als das Autocross- und Stockcar-Event des MSC Linsburg ausfallen musste, kamen Friemelt und Wegener auf die Idee, den Untergrund zu wechseln. Mal kein Autocross, mal etwas anderes, mal eine asphaltierte Rennstrecke. Sie hielten Ausschau nach einem Wagen, der in ihr Portfolio passte. „Der ganze MSC ist quasi schon immer eine große Opel-Fraktion. Da kennen wir uns aus, da haben wir eine Menge Ersatzteile. Das wurde von Generation zu Generation weitergegeben“, schildert Wegener. Ein Markenwechsel war daher nahezu ausgeschlossen.

Die beiden fahren nicht nur für den MSC Linsburg, sie leben ihn auch. Wegener, 35 Jahre alt, fungiert im Vereinsvorstand als Sportwart, Friemelt, 33, hat als Kassenwart ein Auge auf die Finanzen. Das Motorsport-Virus packte die Zwei, als sie einst in jungen Jahren zwanglos beim großen Rennwochenende in Linsburg vorbeischauten. „Hier in der Samtgemeinde Steimbke besucht ja fast jeder Jugendliche mal eins unserer Rennen, viele kommen wieder, packen mal mit an.

Manche bleiben hängen und fahren sogar“, erzählt Wegener, der beruflich bei den Neustädter Stadtwerken als Elektriker tätig ist, Friemelt arbeitet als Bankkaufmann bei der Volksbank. Mit Reifen, Öl und Motoren hantieren beide ausschließlich in ihrer Freizeit.

Inzwischen hat sich Friemelt beispielsweise eine eigene geräumige Werkstatt eingerichtet – mit allem, was das Schrauberherz höherschlagen lässt: In der Mitte steht eine professionelle Hebebühne, diverses Werkzeug und Ersatzteile liegen geordnet in den Schränken und Regalen. Neben dem schwarzen Astra warten zwei ausgeschlachtete Fahrzeuge auf ihren Umbau zum waschechten Stockcar.

Der schwarze Astra der Linsburger wurde 2002 von Franke-Motorsport aufgebaut und landete nach mehreren Besitzerwechseln schließlich im vergangenen Jahr in der Garage von Friemelt und Wegener in Stöckse. Der Motor ist noch Serie, hat 150 Pferdestärken unter der Haube. Aber vieles, was einst im Werk montiert wurde, ist verschwunden. „In erster Linie geht es um Gewichtsoptimierung. Von der Rückbank bis zur Innenverkleidung wurde alles ausgebaut, was man nicht benötigt.

Lediglich das Armaturenbrett und die Heizlüftung sind noch drin“, erklärt Wegener. Das abgestimmte Sportfahrwerk gibt der „wilden 13“ ein ruhiges Fahrverhalten und verzeiht dem Fahrer auch manch kleinen Fehler. Friemelt: „Andere Fahrzeuge brechen schnell mal aus und schon landet man in der Leitplanke. Der Astra ist daher das perfekte Auto, um in die Rundstreckenrennen hineinzuschnuppern.“

Runter vom Prüfstand, rauf auf den Asphalt. Friemelt und Wegener testeten ihr neues Schätzchen erstmals im vergangenen Herbst bei einem „Trackday“ in Hohenlockstedt. Sie tasteten sich an die Grenzen des Autos heran. Sie mussten lernen, wie viel Wissen vor allem über den Umgang mit Reifen erforderlich ist. Friemelt berichtet: „Der Asphalt dort war sehr hart, wir haben einen Satz fast komplett runtergefahren.“ Um vor dem ersten Rundstreckenrennen bestens vorbereitet zu sein, fuhren sie daher vor wenigen Wochen noch einmal los. Auf einer Teststrecke in Papenburg absolvierten sie an einem Tag 250 Kilometer.

Der dortige Bodenbelag ähnelte denen „richtiger“ Rennstrecken, sodass die Linsburger deutlich realitätsnaher mit Reifendruck und -temperaturen herumexperimentieren konnten. „Wir waren dort ja nicht alleine, haben uns mit einigen anderen Fahrern ausgetauscht. Und wir wurden erstmals auf der Strecke von anderen Fahrzeugen überholt. Das ist schon ein ungewohntes Gefühl, wenn man im Rückspiegel plötzlich einen Porsche GT3 mit 600 PS heranfliegen sieht, da wird man schon etwas nervös“, lacht Friemelt.

Erstes Rennen im Mai in Oschersleben

Im Mai wollen er, Wegener und ihr Astra ihr erstes Rundstreckenrennen in Angriff nehmen. Solche Rennen sind nichts anderes als das, was der Name schon verrät. Hier gelten ähnliche Grundregeln wie in den großen, bekannten Serien, wie beispielsweise in der Formel 1 oder der DTM. Für die MSCer geht es in der sogenannten „GLP pro“ des Veteranen-Fahrzeug-Verbandes an den Start. Das Spektrum der teilnahmeberechtigten Autos reicht von Formel-Rennern über Tourenwagen und GT-Fahrzeugen bis hin zu Sportprototypen.

Acht Rennwochenenden werden vom VFV in diesem Jahr angeboten – die Teilnehmer können je nach Lust, Zeit und Geldbeutel an den jeweiligen Läufen teilnehmen, oder eben auch nicht. Für das MSC-Duo führt der Weg zunächst in die Motorsportarena Oschersleben, darüber hinaus haben sie sich vorgenommen, auch im Oktober am Nürburgring mitzufahren. „Wir wollen erst einmal zwei Rennen mitnehmen. Wir wollen herausfinden, ob diese Serie etwas für uns ist, oder ob wir uns doch noch umorientieren. Rennserien gibt es in Deutschland ja jede Menge“, führt Friemelt aus.

Ein Rennwochenende besteht in der „GLP pro“ aus zwei 20-minütigen Durchgängen, die sich die beiden Linsburger untereinander aufteilen. Schon freitags steht das erste freie Training an, ehe es am Samstag mit dem Qualifying und am Sonntag mit dem Rennen weitergeht. Insgesamt nehmen etwa 130 Fahrzeuge an der „GLP pro“ teil, um das Unfallrisiko zu reduzieren, fahren auf der Strecke je Rennen rund 30 Autos gegeneinander.

Bild und Text : “Die Harke” von Philipp Keßler